Männerfreundschaften: Ein Freund, ein guter Freund...
Man könnte sagen: 'Wenn zwei sich befreundet fühlen, dann sind sie das auch. Punkt." Aber wie funktionieren Männerfreundschaften tatsächlich?
Wird nach den Vorstellungen vom Glück gefragt, rangiert die Freundschaft als Garant desselben immer mit an der Spitze. Weil sie Geselligkeit und Freude verschafft, Sicherheit vermittelt, das Selbstwertgefühl stärkt und Orientierung gibt. Freunde "spiegeln" uns - sie sagen offen, wie sie uns sehen und was sie gut oder weniger gut an uns finden. Soweit das Ideal.
Beim Blick auf jede real gelebte Freundschaft unter Männern landet, wie auch bei den Frauen, einiges davon auf der Haben-, anderes auf der Soll-Seite. Kein Problem, solange die wichtigste aller Freundesfähigkeiten nicht im Soll zu verbuchen ist: das Einfühlungsvermögen.
Das Sich-Befreunden ist kein Selbstgänger
Wer sich in Menschen hineinversetzen kann und in der Lage ist, Gefühle für jemand anderen zu entwickeln, ermöglicht den besonderen vertrauensvollen Austausch, den wir Freundschaft nennen und der Ich-Bezogenen verschlossen bleibt. Es kommt also auch in der Freundschaft darauf an, dass die "Richtigen" zusammentreffen. Damit ist es aber nicht getan. Dass man nur eine nette Bekanntschaft schließen muss und das Sich-Befreunden dann wie von alleine läuft, ist leider gerade unter Männern eine Wunschvorstellung.
Vertrauen gegen Vertrauen
Das einander Näherkommen erfordert Aktivität, vielleicht sogar eine gewisse Strategie. Denn kein Mann bekennt eigene Verletzlichkeiten ohne Sicherheitsgarantie oder Gegengabe. Der Safe zur eigenen Seele muss im Verlauf des Kennenlernens wechselseitig immer ein Stück weiter geöffnet werden. Wer zu schnell aufmacht, verschreckt den anderen, wer nach einem halben Jahr immer noch nur vom Wetter oder vom Dax redet, enttäuscht sein Gegenüber.
Zuhören statt Probleme lösen wollen
Eine Krise ist der Bewährungsfall für eine Männerfreundschaft. Denn trösten meint nicht aktiv werden, sondern zuhören und aushalten. "Trost bedeutet, qualifiziert den Mund zu halten", bringt es der Schweizer Psychotherapeut Wilfried Veeser auf den Punkt. "Ein Mensch in einer Krise sucht in erster Linie Zuwendung, um seine Not erst einmal loszuwerden." Keine leichte Übung für routinierte Problemlöser, jetzt nicht mit schnellen Ratschlägen zu reagieren. Das ist das Letzte, was Leidtragende in diesem Moment brauchen.
Durch schwierige Situationen begleiten
Auch in der Krise gehe es darum, den anderen wirklich ernst zu nehmen, schreibt Martin Hecht in seinem Buch "Wahre Freunde - Von der hohen Kunst der Freundschaft": "Erst wer der Situation seines Freundes gerecht wird, ihr Ausmaß und ihren Schrecken anerkennt, kann darauf vertrauen, dem Menschen, den er begleitet, eine echte Hilfe zu sein". Mitfühlen, aushalten und dableiben: Mehr ist in solchen Momenten nicht nötig. Dass Wissen, nicht alleine da zu stehen, entlastet bereits.
Einen Platz im Herzen und im Hirn sichern
Der Hamburger Philosoph Harald Lemke beschreibt Freundschaft als Kunst der Aufmerksamkeit: "Anteil zu nehmen, bei der nächsten Begegnung noch zu wissen, was diese Person gerade beschäftigt hat. Und eben nicht alles wieder neu zu erfinden und zu fragen: Wie geht es dir?" Das sei ein unfreundschaftliches Verhalten. Wenn aber zwei Freunde beim nächsten Zusammensein wie nahtlos an die letzte Begegnung anknüpfen können, haben beide das Gefühl, diese Beziehung lohnt sich, weil der eine am Leben des anderen teilhat.