Alte Konflikte auf Klassentreffen klären
StayFriends: Einen alten Konflikt aus der Schulzeit auf einem Klassentreffen anzusprechen, das kostet Überwindung. Lohnt sich ein Klärungsversuch überhaupt?
Eszter Fischer: Bedenken Sie zuallererst, dass wir auf einem Klassentreffen nicht genau diesselben Leute vorfinden, die wir vor vielen Jahren kannten. Die anderen haben sich verändert. Genau wie wir. Mit heutigen Augen betrachtet, sehen die alten Konflikte anders aus. Und genau deswegen lohnt es sich, über sie zu reden. Damit die negative Wirkung unangenehmer Erinnerungen nachlassen kann.
Sollte man erst einmal für sich überprüfen, warum man gerne etwas klären möchte?
So kompliziert braucht man es sich gar nicht zu machen. Am besten man erzählt einfach, wie es einem damals gegangen ist. Möglichst, ohne demjenigen, der einen damals verletzt hat, Vorwürfe zu machen. Schuldzuweisungen blockieren Gespräche sofort.
Was kann den Austausch noch behindern?
Wenn man aufgeregt ist und mit zitternder Stimme von alten Ängsten spricht, kann das den Gesprächspartner überfordern, so dass er dann vielleicht nicht weiß, wie er auf so viel Gefühl reagieren soll. Besser man bleibt sachlich, bewahrt die Ruhe und hört auch dem anderen gut zu. Sehr wahrscheinlich reagiert der alte Mitschüler anders als man es aus der Schulzeit von ihm kannte.
Ein Beispiel bitte.
Gerne. Gerade vor drei Monaten habe ich selbst ein Klassentreffen besucht. Einer meiner Mitschüler erzählte dort, dass wir ihn ausgelacht haben, weil er den Namen eines englischen Schriftstellers falsch ausgesprochen hatte. Ich bin mir fast sicher, dass ich mitgelacht habe...weil ich viel las und stolz darauf war, wie gebildet ich war. Bestimmt wollte ich ihn nicht kränken. Doch er sah sich von uns als Blödmann abgetan. Jetzt wollte er herausfinden, ob wir ihn immer noch so sehen. Was nicht der Fall war. Alle waren voll Mitgefühl und fanden ihr Verhalten im Nachhinein ziemlich gemein.
Haben Sie sich entschuldigt?
Nein. Nach so vielen Jahren wäre eine Enschuldigung unangemessen gewesen. Schließlich sind wir, wie gesagt, nicht mehr diesselben Personen wie damals. Wiedergutmachung ist daher kaum möglich. Mitgefühl dagegen können wir geben - und erwarten.
Man kann also darauf setzen, dass man auf Verständnis stößt.
Ganz bestimmt. Die meisten Konflikte von Jugendlichen haben ihre Ursache in gruppendynamischen Prozessen, die jede Klasse durchzustehen hat. Wobei Heranwachsende in allen Konkurrenzen und Reibereien meist völlig auf sich selbst bezogen sind. Pubertierende sind so unsicher und haben so viele eigene Problem...und verstehen so wenig von den Problemen der anderen. Was sich zum Glück im Laufe des Lebens meist verändert. Und wenn wir sehen, wie anders unsere "Gegner" von damals heute reagieren, können wir Abstand zu alten Kränkungen gewinnen.